Leitbild
Präambel
Eine normale Funktion der Sprache, des Sprechens und der Stimme gilt als entscheidend für die zwischenmenschliche Kommunikation. Die Motorik des Sprechens und der Stimmgebung hat enge
entwicklungsgeschichtliche und physiologische Beziehungen zur Motorik des Schluckens; viele Patienten mit Sprech- oder Stimmstörungen leiden auch an einer Schluckstörung. Störungen der Sprache, des
Sprechens, der Stimme und des Schluckens können die Lebensqualität beeinträchtigen und die Betroffenen sozial, beruflich und familiär ausgrenzen. Deshalb setzen sich die Mitglieder der DGSS für eine
adäquate Versorgung der Betroffenen ein.
Dabei respektieren die Mitglieder der DGSS die von der UNO formulierten Menschenrechte und stellen ihre Aktivitäten unabhängig von politischen, religiösen und weltanschaulichen Standpunkten in den
Dienst selbstbestimmter Entscheidungen und selbständiger Lebensführung für Menschen mit Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schluckstörungen.
Was ist die DGSS?
Die DGSS versteht sich als Dachorganisation deutschsprachiger Gesellschaften und Verbände, die sich wissenschaftlich, diagnostisch, therapeutisch, rehabilitativ oder pädagogisch mit Stimmgebung, Sprechen, Sprache (einschl. Schriftsprache) und Schlucken beschäftigen oder eine Prophylaxe betreiben.
Wozu wurde die DGSS gegründet?
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Wissen über Kommunikationsstörungen noch nicht weit entwickelt. Deshalb wurde 1925 die DGSS mit dem Ziel gegründet, das öffentliche Gesundheitswesen im Gebiet der Sprach- und Stimmheilkunde und der angrenzenden Gebiete, die für Kommunikationsstörungen von Bedeutung sind, zu fördern - als eine der ersten Fachgesellschaften dieser Art weltweit.
Welche Ziele verfolgt die DGSS heute?
Nach einer langen Periode der Spezialisierung und Aufgabenteilung mit Weiterentwicklung der bestehenden und Gründung neuer Fachdisziplinen wächst die Gefahr eines dominierenden berufspolitischen Denkens und der Nichtbeachtung fachfremder und interdisziplinär wichtiger Erkenntnisse und Erfolge. Gerade kommunikationsgestörte Menschen müssen aber häufig von Vertretern mehrerer Disziplinen gleichzeitig behandelt, gefördert und unterrichtet werden, die oftmals nicht genug voneinander wissen. Dies bedeutet nicht nur unmittelbare Nachteile für die betroffenen Menschen; vielmehr verlieren die beteiligten Disziplinen ihre Glaubwürdigkeit - auch bei Angehörigen und Bekannten der Betroffenen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, ist - mehr denn je - ein professionelles Forum notwendig, auf dem die Fachdisziplinen ihre Meinungen zusammentragen, diskutieren und ihre Konzepte harmonisieren. Hierfür bietet die DGSS seit ihrer Gründung in einzigartiger Weise ein Forum.
Deshalb setzt sich die DGSS dafür ein, das berufspolitische Denken zugunsten einer professionsübergreifenden Fachperspektive zu überwinden. Sie unterstützt die wissenschaftliche Forschung zum Wohle der Menschen mit Kommunikationsstörungen und möchte die Rahmenbedingungen des öffentlichen Gesundheitswesens diesbezüglich mitgestalten.
Was unternimmt die DGSS?
Die DGSS richtet sich an Angehörige von Berufsgruppen, die Menschen mit Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schluckstörungen behandeln, fördern oder unterrichten; sie können persönliches Mitglied in der DGSS werden. Andere Fachgesellschaften können ein Mitglied in den erweiterten Vorstand der DGSS entsenden und damit die Arbeit der DGSS mitgestalten. Die DGSS berät ihre Mitglieder, stellt ihnen Informationen und Materialien zur Verfügung, organisiert Fortbildungsveranstaltungen sowie einen zweijährlichen Kongress. Sie nimmt Fragen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge ihrer Mitglieder entgegen und stellt sie im Rahmen ihrer Aktivitäten zur Diskussion.
Wie arbeiten die Mitglieder der DGSS?
Die Mitglieder der DGSS unterstützen die wissenschaftliche Forschung und Lehre zum Wohle der Kranken und von Krankheit Bedrohten - nicht nur mit dem Ziel, Erkenntnisse zu gewinnen, sondern insbesondere, um Betroffenen konkrete Hilfe anbieten zu können. Die DGSS fördert daher die Entwicklung von Grundlagenwissen (zum Beispiel in den Naturwissenschaften), die wissenschaftliche Validierung von Erfahrungen (zum Beispiel in der Medizin), die Erarbeitung von Thesen (zum Beispiel in den Geisteswissenschaften) sowie Kreativität (zum Beispiel in Musik und Kunst). Die Arbeit der Mitglieder basiert auf den Prinzipien Interdisziplinarität, Internationalität und Deutschsprachigkeit. Die Mitglieder der DGSS identifizieren sich mit diesen Prinzipien und wenden sie nicht nur im Umgang miteinander, sondern auch im Umgang mit eigenen Arbeitskolleginnen und -kollegen an. Sie wirken dadurch als Vorbild auch für Nicht-Mitglieder und tragen zur positiven Meinungsbildung im Hinblick auf die Prinzipien der DGSS bei.
Interdisziplinarität
Die DGSS ist eine interdisziplinäre Gesellschaft, in der bevorzugt zum Beispiel Ärzte und Ärztinnen, Psychologen und Psychologinnen, Pädagogen und Pädagoginnen, Logopäden und Logopädinnen, akademische Sprachtherapeuten und Sprachtherapeutinnen, Lehrer und Lehrerinnen sowie Musiker und Musikerinnen persönliches Mitglied werden können. Die Mitglieder der DGSS blicken über die Grenzen des eigenen Wissensgebietes hinaus und wagen einen Schritt auf benachbartes Terrain, ohne dabei anderen ihre traditionellen Aufgaben streitig zu machen. Der Blick über die Grenzen dient vielmehr dazu, den Horizont für die eigene fachspezifische Arbeit zu erweitern und die Ergebnisqualität im Dienst der betroffenen Menschen zu verbessern. Dabei haben die Mitglieder Respekt gegenüber anderen, vielleicht konkurrierenden Disziplinen.
Internationalität
Die DGSS versteht sich weniger als „deutsche“, vielmehr als „deutschsprachige“ Gesellschaft. Besonders in den deutschsprachigen Ländern, aber nicht nur hier, wünscht sie die Verständigung der Forscher zu fördern.
Deutschsprachigkeit (Wissenschaft in deutscher Sprache)
Die Behandlung stimm-, sprech-, und sprachgestörter Menschen erfolgt am besten in der Muttersprache. Dafür müssen die Mitglieder der verschiedenen Berufsgruppen nicht nur eine gute Sprachkompetenz, sondern auch Sprachperformanz der deutschen Sprache besitzen. Des Weiteren sind deutschsprachige Test- und Behandlungsverfahren notwendig, die als wissenschaftlich entwickelte und erprobte Instrumente Eingang in die Praxis gefunden haben. Zweifelsohne hat sich die englische Sprache in den meisten Wissenschaften als international dominierend herausgestellt. Jedoch erleben es viele deutschsprachige Wissenschaftler als vorteilhaft, ihre Ergebnisse nicht nur in einer übergeordneten, international verbreiteten Sprache, sondern auch auf Deutsch vorzustellen. Dies gilt vor allem für stark sprachabhängige Forschungsergebnisse. Außerdem kann es sinnvoll sein, Forschungsergebnisse aus anderen Sprachen zu übertragen und in Deutsch zu publizieren. Die Fortbildungsveranstaltungen, Kongresse und Publikationen der DGSS sind dafür ein einzigartiges Forum.
November 2005